Hinweise zum Vollzug des Grundbuchbereinigungsgesetzes und zur zivilrechtlichen Absicherung von Leitungen und Anlagen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung


Bekanntmachung des Umweltministeriums

Vom 22. November 1999- X 310- 520.5.3- 98/4 -



l. Geltende Rechtslage


Zur zivilrechtlichen Sicherung von Rechten zur Führung wasserwirtschaftlicher Leitungen und Anlagen in fremden Grundstücken sind beschränkte persönliche Dienstbarkeiten nach §§ 1090. 1018 ff. BGB erforderlich. Lediglich schuldrechtliche Leitungsrechte wie Leih-, Pacht- oder Mietverträge sind wegen deren Kündbarkeit zur Sicherung einer geordneten Versorgung mit Trinkwasser oder Entsorgung von Abwasser im allgemeinen nicht ausreichend. Auch eine wasserrechtliche Duldungsverfügung nach § 100 des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LWaG) vermag wegen der Rücknahmemöglichkeit der Duldungsverfügung keine ausreichenden Leitungsführungsrechte zu vermitteln.

In den meisten Fällen gelingt es den Trägern der Wasserversorgung bzw. der Abwasserbeseitigung, mit dem Grundstückseigentümer auf freiwilliger Basis die Grunddienstbarkeit zu vereinbaren. Dieses geschieht durch Abschluss eines notariell beurkundeten Vertrages, der den Text der Dienstbarkeit wie auch eine Regelung zur Höhe einer Entschädigung für den Eigentümer enthält.

Wenn auf freiwilliger Grundlage ein solcher Vertrag nicht zu zumutbaren Bedingungen erreichbar ist und für die vorhergesehene Leitung keine zumutbare Alternative besteht, ist letztes Mittel, ein Enteignungsverfahren mit dem Ziel der Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit beim Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern (Enteignungsbehörde) zu beantragen. Voraussetzung ist. dass die Enteignung nach § 102 LWaG zulässig ist, das Vorhaben des Versorgungsunternehmens, das sich auch aber mehrere Grundstücke erstreckt, dem Wohl der Allgemeinheit dient und hierfür ein in einem Planfeststellungsverfahren festgestellter Plan zugrunde liegt.


2. Rechtslage in der ehemaligen DDR


Demgegenüber bestand auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine andere Rechtslage und -praxis.

In den neuen Bundesländern wurden früher vielfach Leitungen für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung verlegt und betrieben, ohne auf die notwendige zivilrechtliche Absicherung zu achten. Zwar waren die Anlagen und Leitungen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auf der Grundlage wasserrechtlicher Vorschriften der DDR durch Mitbenutzungsrechte abzusichern. Die Absicherung der Anlagen reichte jedoch weniger weit, als die zivilrechtliche Absicherung nach jetzigem bundesdeutschem Recht, zumal die Mitbenutzungsrechte auf wasserrechtlicher Grundlage häufig nicht hinreichend und wirksam begründet wurden oder dokumentierbar sind. Diese wasserrechtlichen Regelungen gelten gemäß Artikel 9 Abs. l des Einigungsvertrages als Landesrecht fort. soweit sie nicht durch Landeswassergesetz abgelöst worden sind.


3. Die Rechtslage in den neuen Bundesländern nach dem Einigungsvertrag und nach dem Grundbuchbereinigungsgesetz


Im Einigungsvertrag wurde das Fortbestehen der Nutzungsrechte für die Inanspruchnahme privater Grundstücke bei Energieversorgungsleitungen geregelt. Nach Anlage K Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt DI Nr. 4 des Einigungsvertrages bestehen Mitbenutzungsrechte nach Energieverordnung bis zum 31. Dezember 2010 fort.

Für Wasserversorgungsleitungen und Abwasserentsorgungsleitungen fehlt eine solche Bestimmung, hier ist auf das Fortgelten der Mitbenutzungsrechte nach dem früheren DDR-Wassergesetz zu verweisen. Gleichwohl stellt sich bei Energieversorgungsleitungen ebenso wie bei Leitungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung die Frage, welche Rechtsqualität die nach wie vor geltenden Grundstücksbenutzungsrechte haben. In Betracht kam, sie als dingliche und schuldrechtliche Rechte einzuordnen. Allerdings wären hier Auseinandersetzungen mit den Grundstückseigentümern absehbar gewesen, die Behörden und Gerichte über Jahre mit Rechtsstreiten belastet hätten.


Deshalb wurden mit

Regelungen geschaffen, um im Hinblick auf die derzeitigen Gegebenheiten den Versorgungsunternehmen die Sicherung der Leitungsrechte zu ermöglichen und in einem relativ einfachen Verfahren und ohne notarielle Beurkundung die Eintragung in das Grundbuch zu erreichen.

Das Grundbuchbereinigungsgesetz begründete mit Wirkung zum 25. Dezember 1993 für alle Energieversorgungsleitungen, die am 3. Oktober 1990 betrieben wurden, beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und ermächtigte die Bundesregierung, diese Regelung durch Rechtsverordnung auf Anlagen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zu erstrecken. Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und mit Wirkung vom II. Januar 1995 (§ 14 SachenR-DV) auch für alle Leitungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung, die am 3. Oktober 1990 betrieben wurden, beschränkte persönliche Dienstbarkeiten begründet.

Von dieser dinglichen Sicherung aller Leitungsführungsrechte gibt es zwei wichtige Ausnahmen:

• Leitungen, die in oder über öffentlichen Verkehrswegen verlegt sind (§ 9 Abs. 2 GBBerG), und

• Leitungen, für die ein Grundstücksbenutzungsrecht nach § 8 der Verordnung über Allgemeine Vertragsbedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980 (BGBI. l S. 750, 1067) besteht (§ l Satz 2 2. Alt SachenR-DV).

Die letztgenannte Ausnahme gilt jedoch nicht, wenn das Wasserversorgungsunternehmen ein Grundstücksbenutzungsrecht nach seiner Wasserversorgungssatzung hat Denn § l SachenR-DV schließt die Anwendbarkeit des Grundbuchbereinigungsgesetzes nur für solche Anlagen aus, für die ein Grundstücksbenutzungsrecht nach § 8 AVBWasserV besteht, nicht jedoch für Fälle, in denen ein Grundstücksbenutzungsrecht aus einem öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsverhältnis besteht. In diesen Fällen gelten die Bestimmungen des Grundbuchbereinigungsgesetzes bzw. der Sachenrechts-Durchführungsverordnung.

Abzustellen ist jeweils auf den II. Januar 1995, den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der SachenR-DV (§ 14 SachenR-DV). Bestand an diesem Tag kein Grundstücksbenutzungsrecht nach § 8 AVBWasserV, richten sich die Grundstücksbenutzungsrechte des Versorgungsunternehmens nach dem Grundbuchbereinigungsgesetz in Verbindung mit der Sachenrechts-Durchführungsverordnung, und zwar auch dann, wenn ein solches Grundstücksbenutzungsrecht nach dem 11. Januar 1995 entsteht.

Außerdem greifen das Grundbuchbereinigungsgesetz und die Sachenrechts-Durchführungsverordnung nicht ein, soweit es sich um Wasserwerke und Abwasserbehandlungsanlagen handelt (§ 9 Abs. 9 Satz l Nr. l GBBerG). Die Benutzung fremder Grundstücke durch solche Anlagen muss noch durch ein besonderes Gesetz geregelt werden.


3.1 Moratorium


Mit In-Kraft-Treten des Grundbuchbereinigungsgesetzes und der Sachenrechts-Durchführungsverordnung sind außerhalb des Grundbuchs kraft Gesetzes beschränkte persönliche Dienstbarkeiten entstanden. Diese gelten, ohne dass es hierfür eine zeitliche Befristung gibt.

In Bezug auf diese Dienstbarkeit aber ist der Schutz des guten Glaubens an das Grundbuch eingeschränkt: Normalerweise kann jedermann, der Einsicht in das Grundbuch nimmt, sich

darauf verlassen, dass Belastungen, die nicht im Grundbuch eingetragen sind, auch nicht existieren. Hiervon macht § 9 Abs. l Satz 3 GBBerG eine Ausnahme: § 892 BGB gilt nur in Ansehung des Ranges für Anträge, die nach dem In-Kraft-Treten dieser Vorschrift, und auch erst für Anträge, die nach dem 31. Dezember 2010 gestellt werden. Diese Bestimmung dient vor allem dem Zweck, die hypothekarische Belastung der Grundstücke zu erleichtern: nur auf diese Weise gelingt es Banken, erstrangige Besicherung zu erlangen.

Nach dem 31. Dezember 2010 laufen Versorgungsunternehmen also Gefahr, dass Leitungsdienstbarkeiten durch gutgläubigen Erwerb von Dritten erlöschen können. Vor allem deswegen sind verstärkte Anforderungen erforderlich, um vor Ablauf dieser Übergangsregelung die Eintragung der obengenannten Dienstbarkeiten zu erreichen.

Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit wurde für alle Leitungen begründet, die am 3. Oktober 1990 im öffentlichen Interesse genutzt wurden (§ 9 Abs. l Satz l GBBerG). Unter “nutzen" kann jede Art von Inanspruchnahme verstanden werden, im Einzelfall auch die Inanspruchnahme eines Grundstücks mit einer am 3. Oktober 1990 erst im Bau befindlichen Versorgungsleitung.

Das Nutzungsrecht besteht in dem Umfang, in dem es am 3. Oktober 1990 ausgeübt wurde Erweiterungen der Grundstücknutzung müssen, wenn sie mit einer Erweiterung des Schutzstreifens verbunden sind, durch eine individuelle Abrede zwischen Versorgungsunternehmen und Grundstückseigentümer vereinbart werden. Dagegen ist der Austausch einer Wasserversorgungsleitung gegen eine andere auch mit einem größeren Durchmesser dann zulässig, wenn dadurch die Möglichkeit der Grundstücksnutzung nicht über das vorhandene Maß hinau beeinträchtigt wird, insbesondere also der Schutzstreifen durch den Austausch der Leitungen nicht vergrößert wird.

Eine Zusammenstellung der wasserwirtschaftlichen Anlagen im Sinne von § 9 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GBBerG ergibt sich aus den Nummern 3 bis 7 der Schlüsselliste (Anlage 3 zu Anhang l).

Die Grundstückseigentümer müssen die Grundstücke den Versorgungsunternehmen nicht entschädigungslos zur Verfügung stellen. Die Ausgleichsleistung ist nach § 9 Abs. 3 Salz 3 GBBerG in zwei gleichen Teilen zu unterschiedlichen Fälligkeiten an den Grundstückseigentümer zu zahlen. Die erste Hälfte des Betrags wird mit Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch fällig. Voraussetzung für die Zahlung ist, dass der Grundstückseigentümer das Versorgungsunternehmen dazu aufgefordert hat. Frühestens wird der erste Teilbetrag am l. Januar 2001 fällig. Die zweite Hälfte des Betrags wird kraft Gesetzes am l. Januar 2011 fällig (§ 9 Abs. 3 Satz 3 GBBerG). Der zweite Betrag ist ohne Aufforderung des Grundstückseigentümers zu zahlen.

Die Höhe des zu leistenden Ausgleichs ist gesetzlich nicht bestimmt, sondern bemisst sich nach dem Betrag, der für ein ähnliches Recht allgemein üblich ist (§ 9 Abs. 3 Satz 2 GBBerG). Für Leitungsdienstbarkeiten ist bei unterirdischen Leitungen in der Regel ein Ausgleich von 10 bis 20 Prozent des Wertes der Grundstücksfläche anzusetzen, die durch Leitung und Schutzstreifen in Anspruch genommen wird, für oberirdische Anlagen wie Schilderpfähle oder Brunnenanlagen ist in der Regel der volle Wert der durch diese Anlagen in Anspruch genommenen Grundstücksfläche zu leisten.

In der Praxis taucht die Frage auf, auf welchen Zeitpunkt für die Bemessung der Entschädigung abzustellen ist. Dies richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen des Entschädigungrechts: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bemessung der Entschädigung ist der der Rechtsänderung, also der Belastung des Grundstücks mit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit: Für Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen ist auf das In-Kraft-Treten der Sachenrechts-Durchführungsverordnung am 11. Januar 1995 abzustellen, selbst wenn die Entschädigung erst sehr viel später geleistet wird und der Wert des Grundstücks inzwischen gestiegen ist

Nicht in jedem Fall hat der Eigentümer eines Grundstücks. das mit einer Dienstbarkeit belastet ist, Anspruch auf eine Ausgleichleistung nach § 9 Abs. 3 GBBerG. Dieser besteht nicht bei Alt-Dienstbarkeiten aus der Zeit vor 1945. Derartige Belastungen hat der Eigentümer des entsprechenden Grundstücks ohne Anspruch auf eine Ausgleichleistung zu dulden. Ebenso hat das Versorgungsunternehmen keine Ausgleichleistung zu zahlen, wenn es auf die Ausübung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit vor Eintritt der jeweiligen Fälligkeit der Ausgleichleistung verzichtet.


3.2 Bescheinigungsverfahren


Die Feststellung, ob im Einzelfall eine Dienstbarkeit besteht und für welche Anlagen oder Leitungen sie gilt, erfolgt in einem gesonderten Bescheinigungsverfahren. Das Bescheinigungsverfahren dient dazu, die Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch vorzubereiten.

Beim Bescheinigungsverfahren ist zu beachten, dass es sich beim Grundbuchbereinigungsverfahren um ein formalisiertes Grundbuchberichtigungsverfahren handelt. In ihm wird lediglich geprüft, ob der Antragsteller seit dem 3. Oktober 1990 Betreiber der jeweiligen Leitung oder dessen Rechtsnachfolger ist und die Leitung in den betroffenen Grundstücken tatsächlich benutzt. Der Grundstückseigentümer wird in diesem Verfahren nicht mit dem Einwand gehört, dass eine vertragliche Grundlage für die Inanspruchnahme seines Grundstücks nicht besteht. Denn das Recht zur Grundstücknutzung steht durch die gesetzliche Begründung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Versorgungsunternehmens bereits fest

Wenn der Grundstückseigentümer der Auffassung ist, dass ein Grundstück zu Unrecht mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach dem Grundbuchbereinigungsgesetz belastet ist. hat er das Versorgungsunternehmen auf den üblichen zivilrechtlichen Wegen auf Zustimmung zur Löschung in Anspruch zu nehmen.

Das Bescheinigungsverfahren wird grundsätzlich nur auf Antrag des Versorgungsunternehmens durchgeführt (§ 9 Abs. 4 GBBerG).



Quelle: Amtsblatt für Mecklenburg-Vorpommern Nr. 51 vom 6. Dezember 1999



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